Seit 1.1.2022 gilt in Österreich das Sterbeverfügungsgesetz. Sterbewillige Personen können nach Durchlaufen eines Prozedere (2x ärztliches Gutachten, 1x juristischer Errichtungsakt) eine Sterbeverfügung errichten und dann in einer Apotheke ein tödliches Mittel beziehen. 

Nun gab es eine Berichterstattung, dass einige Pflege- und Betreuungseinrichtungen in Österreich die Umsetzung eines assistierten Suizids per Hausordnung verweigerten. ORF.at und DerStandard berichteten. Im Ö1-Mittagsjournal vom 5. Februar 2024 nahm Volksanwalt Bernhard Achitz dazu Stellung (Link).

Hier soll nun der Rechtsrahmen kurz erläutert werden (Quelle: Buch M. Halmich):

Es ist zulässig, den assistierten Suizid in einem Pflege- und Betreuungszentrum durchzuführen. Hierbei ergibt sich sogar ein strenger rechtlicher Schutz für den Heimbewohner. Das Pflegezentrum ist der Wohnort der Person und nicht bloß Ort einer vorübergehenden Behandlung. Rechtlich betrachtet liegt zwischen dem Heimbewohner und dem Heimträger ein Heimvertrag vor. Der Inhalt des Vertrages und diverse Schutzvorschriften zugunsten des Heimbewohners sind im Heimvertragsgesetz festgelegt (§§ 27b ff. KSchG).

Dabei sind die Kündigungsmöglichkeiten durch den Heimträger streng gesetzlich eingeschränkt und nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes möglich (§ 27i KSchG). Dass ein Heimbewohner von der Möglichkeit des assistierten Suizids Gebrauch machen möchte, stellt jedenfalls keinen legitimen wichtigen Grund zur Kündigung dar. Denn ein Recht in Anspruch zu nehmen, das einem die Rechtsordnung einräumt, kann kein zulässiger wichtiger Grund sein, der zur Kündigung berechtigt.

Dies umso mehr, wo im Heimvertragsgesetz vorgegeben ist, dass folgende Bewohnerrechte unbedingt einzuhalten sind (§ 27d Abs. 3 KSchG):

  • Schutz Persönlichkeitsrechte / Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit

  • Recht auf Selbstbestimmung

  • Recht auf religiöse Selbstbestimmung

  • Recht auf Verkehr mit der Außenwelt, auf Besuch durch Angehörige und Bekannte

  • Recht auf Gleichbehandlung

Ein Träger eines Pflegezentrums könnte zwar in rechtlich zulässiger Weise seinen Mitarbeitern verbieten, in der Dienstzeit einem Bewohner bei der Durchführung der Selbsttötung behilflich zu sein. Andererseits könnte sich dann der Bewohner externe Hilfe organisieren und der Träger des Pflegezentrums dürfte diesem externen Suizidassistenten den Zutritt nicht verwehren.

Zudem wäre es rechtlich unzulässig, die Aufnahme in einem Pflegezentrum an die Bedingung zu knüpfen, in der Zukunft keinen assistierten Suizid vorzunehmen.

Quelle:
Buch “Selbstbestimmtes Sterben – Sterbehilfe / Assistierter Suizid / Sterbeverfügung in Österreich” von A. Klein und M. Halmich (Educa Verlag, Wien, 2023) – Link 


05.02.2024